Eine Arie aus der Renaissance 

Domfestspiele Verden: Die ausgebildete Opernsängerin Christiane Artisi leitet den Chor und tritt auch mit einem Solostück in Erscheinung. Premiere des Schauspiels ist am Freitag. 

Von Andreas Becker

Noch genau vier Tage, dann hat das neue Stück der Domfestspiele "Die rebellische Hexe" auf der Freilichtbühne hinter dem Dom Premiere, und Christiane Artisi wird dann zwei Mal gefordert sein: als Sängerin und als Dirigentin des Chors. Zum dritten Mal ist sie musikalische Leiterin der Domfestspiele und freut sich vor allem auf die Stücke, die Regisseur Hans König selbst komponiert hat.

"Das ist eine sehr schöne, stimmungsvolle Musik, die an einen Filmsoundtrack erinnert", beschreibt Artisi das Hörerlebnis, auf das sich die Besucherinnen und Besucher freuen können. Beim Komponieren habe König Texte vertont, die er selbst geschrieben habe. "Das Volk soll diesmal mitsingen, das ist sehr aufwendig einzustudieren, aber eine schöne Herausforderung", sagt die Leiterin. Zu Beginn der Proben seien die Voraussetzungen bereits gut gewesen. "Die Mitglieder konnten sich die Stücke bereits im Vorfeld anhören und mit dem Einstudieren beginnen", erzählt Christiane Artisi.

Solopart aus der Renaissance

Sie selbst hat auf der Bühne einen Solopart, "eine Art Arie", den ebenfalls Hans König ausgesucht hat. Sie singt aus dem Fenster der Bischofsresidenz heraus und muss dazu die dritte Spielebene der Kulissen erklimmen. "Das ist ein Stück von Pérotin, einem Komponisten der Renaissance, aber sehr modern", schwärmt die Sängerin. Und es passe zu der düsteren Thematik des Theaterstücks, schließlich gehe es um Hexenverfolgung und um junge unschuldige Frauen, die ohne Grund beschuldigt und angeklagt würden. "Die Musik und der Gesang unterstützen diese Frauen und haben ebenso eine starke dramaturgische Funktion", erklärt Christiane Artisi. Die Musik betone und interpretiere die Handlung auf der Bühne.

Das Können der Sängerinnen und Sänger im Chor hat sich während der Proben stetig weiterentwickelt. Der Gesang stehe während des Stücks stets im Zusammenhang mit der Hauptfigur, der Hexe. Während der vergangenen Produktionen hat die ausgebildete Gesangspädagogin bereits genügend Erfahrungen mit der Eigendynamik der Domfestspiele gesammelt.

Lange Gesangskarriere

Christiane Artisi blickt selbst auf eine lange Bühnenkarriere zurück. Die gebürtige Verdenerin studierte in Berlin Gesang und legte dort ihre Bühnenprüfung als Opernsängerin (Mezzosopran) ab. Mittlerweile ist sie Altistin, "die Stimme dunkelt im Laufe der Jahre etwas nach". Nach Jahren, in denen sie vor allem im Opernbereich auftrat und im Rundfunkchor Berlin arbeitete, kehrte sie nach Verden zurück. Seither arbeitet sie als Gesangspädagogin und gibt als Sängerin Konzerte. Zur Oper kehrt sie ebenfalls sporadisch zurück – mit Auftritten bei Festivals in Bregenz und Halle. Auch in Verden ist Artisi häufig zu hören, etwa bei der Allersymphonie. Im Mai stand Christiane Artisi im Dom zu Verden auf der Bühne, sie sang die Altpartie im "Elias".

Die leidenschaftliche Sängerin stammt aus einem musikalischen Haushalt, die Liebe zur Musik wurde ihr quasi in die Wiege gelegt. "Ich habe schon früh Querflöte und Klavier gespielt und im Chor gesungen", erinnert sie sich. Zu den Domfestspielen ist sie seinerzeit als Leiterin des Nonnenchors gekommen. "Die Arbeit mit den Sängerinnen und Sängern macht mir sehr viel Spaß, weil sie dankbar für die Anleitung und Hilfe sind", betont Artisi. Die heiße Probenphase mit dem Chor beginnt traditionell erst auf der Festspielbühne hinter dem Dom. Christiane Artisi selbst probt ihre Solopartien mit Hans König in dessen Studio.

Große Bühne als Herausforderung

Was ist das Geheimnis der Domfestspiele, wovon geht für sie die Faszination aus? „Die große Freiluftbühne ist eine Herausforderung. Dort kann man als Künstlerin ganz anders agieren als auf einer geschlossenen Bühne. Die Wege sind einfach unglaublich lang. Alles ist so überdimensional groß“, sagt die studierte Opernsängerin. Bevor sie bei den Domfestspielen 2011 einen Nonnenchor (Gregorianische Choräle) auf seinen großen Auftritt vorbereitete, war Freiluft-Theater ein Fremdwort für sie. In der Festspielzeit 2014 leitete die Verdenerin dann den großen Chor. „Wir haben eine drei- bis vierstimmige Händel-Hymne einstudiert“, bekommt sie noch immer Gänsehaut, wenn sie an den Auftritt denkt. 


Verspürt sie denn nach all den Jahren immer noch Lampenfieber beim Gang auf die Bühne? "Lampenfieber würde ich das nicht nennen, aber ein bisschen Aufregung ist immer dabei."